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Arbeiterkind.

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Es hat das Zeug zum Unwort des Jahres 2013*, wenn es jetzt noch ein paar Kreise zieht: der zentrale Begriff eines auffallend langen Kommentares in der Zeit, geschrieben von einem sogenannten Arbeiterkind. In Zeiten, in denen von Erasmus als riesiges Party-Projekt der EU gesprochen wird, die Abschaffung der Studiengebühren in Bayern ihren Weg in Richtung Parlament macht und es ständig Protest gegen Anwesenheitspflicht gibt oder die “Regelstudienzeit” von 6 Semestern als zu kurz empfunden wird, schreckt es einen durchaus auf, plötzlich wieder auf den Anfang des eigenen Weges gerissen zu werden. Denn auch ich bin – der Definition des Kommentars folgend – ein Arbeiterkind. Weder meine Mutter noch mein Vater haben studiert. Zugegeben, meine Mutter hat einmal ein Fernstudium gemacht. Ein Fernstudium. Also nur für den Lebenslauf.

Ich erinnerte mich plötzlich daran, dass ich ja eigentlich bis knapp einen Monat vor Ende der Bewerbungsphase in Bonn noch eine Ausbildung machen wollte. Eine Ausbildung! Das klingt für mich jetzt so unwirklich wie Arbeiterkinder auf einer bayerischen Hochschule, um im Bilde zu bleiben.  Dabei ist eine Ausbildung per se nicht schlechter als ein Studium – nur anders. Aber anscheinend verläuft, und das wird jetzt greifbar, eine regelrechte Linie in meinem Kopf zwischen mir als Student und diesen “Gossensprache beherrschenden Asozialen”. Mal drastisch formuliert.

Niklas Luhmann würde sich jetzt freuen und in seiner Inklusions/Exklusions-Theorie bestätigt fühlen. Die besagt nämlich, dass in einer funktionalistischen (d.h. unserer aktuellen) Gesellschaft eigentlich nur Inklusion besteht. Das heißt, es scheint so, als würde niemand aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Tatsächlich aber – und das hat der Soziologie-Prof meines Herzens am Beispiel von Slums (z.B. in Rio de Janeiro) dargestellt – besteht die Exklusion tatsächlich noch weiter. Es gibt Menschen, die ausgesiebt werden, für die andere Regeln gelten. Als Arbeiterkind mit Blick auf meine jetzige Position fällt mir das jetzt erschreckenderweise sogar in Deutschland auf – und das noch nicht mal in der Unterscheidung Oberschicht <-> Proletariat, sondern in der Unterscheidung Akademiker <-> Arbeiter. Soviel zum Thema “Die Herkunft darf nicht wichtig sein” und Chancengleichheit. Armes Deutschland.

* Nach einem kurzen Disput mit S.K. habe ich dann auch eingesehen, dass das Unwort wenn, dann “Sexismus-Debatte” sein kann. Aber nicht “Arbeiterkind”.


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